Das Matem-Fasten im Alevitentum

Das Matem-Fasten im Alevitentum

Das Matem-Fasten ist eine zentrale spirituelle Praxis der Alevit*innen. Es findet jedes Jahr in den ersten zwölf Tagen des Monats Muharrem statt. In dieser Zeit gedenken wir mit tiefer Trauer und Respekt dem Martyrium von İmam Hüseyin, seinem Sohn Zeynel Abidin und ihren Weggefährten, die im Jahr 680 in Kerbela von den Truppen des Kalifen Yazid grausam ermordet wurden.

Doch Kerbela ist kein bloß historisches Ereignis – Kerbela ist ein Zustand. Es steht symbolisch für den ewigen Kampf zwischen Unterdrückung und Gerechtigkeit, zwischen Tyrannei und Würde.

Diese Realität wiederholt sich bis in die Gegenwart:
Die Massaker an Alevit*innen – vom Osmanischen Reich, über das Dersim-Massaker (1937/38), bis hin zum Maraş-Massaker (1978), dem Çorum-Massaker (1980) oder dem Brandanschlag von Sivas (1993) – sind für Alevit*innen das Kerbela der Moderne. Sie zeigen, dass Hass, Intoleranz und Machtmissbrauch immer wieder unschuldige Menschen treffen, nur weil sie anders glauben, leben oder denken.

Das Matem-Fasten ist Ausdruck dieser kollektiven Trauer, aber auch ein spiritueller Weg zur Selbstreinigung, Solidarität und Aufrichtigkeit. Neben dem Verzicht auf Nahrung und Wasser werden in dieser Zeit auch Musik, Fleisch und alle weltlichen Genüsse gemieden. Das Fasten ist freiwillig, aber tief im alevitischen Werteverständnis – insbesondere im Weg der Vier Tore und Vierzig Stufen (Dört Kapı Kırk Makam) – verankert.

Am zwölften Tag, dem Asure-Tag, bereiten die Canlar die symbolische Speise Aşure zu, die aus verschiedenen Zutaten besteht und in der Gemeinschaft geteilt wird – als Zeichen für Vielfalt, Einheit und Hoffnung.